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Quo vadis? Zur Digitalisierung des Gesundheitssystems in Deutschland

digital health

Stellenwert der Digitalisierung für die Gesellschaft und das Gesundheitssystem

Laut ifo institut sorgt die Digitalisierung für eine fundamentale und nachhaltige Veränderung der Wirtschaft und Gesellschaft im Ganzen und „treibt unternehmerische Innovationsfähigkeit, Produktivität und regionales Wirtschaftswachstum“.1

Eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey und dem Bundesverband Managed Care e.V. (BMC) fasst zusammen, wie groß der ökonomische Nutzen sein kann und, dass die Digitalisierung des Gesundheitssystems dazu beitragen könne, Leistungen sowohl günstiger als auch eine verbesserte Qualität zu gestalten. Eine wichtige Erkenntnis aus der Betrachtung anderer Industrien, die diesen Weg schon gehen und gegangen sind: Dort, wo der Kunde im Mittelpunkt der Anstrengungen stand, hat die Digitalisierung große Verbesserungen gebracht. Was in anderen Zweigen der Kunde ist, ist im Gesundheitswesen die Patientin bzw. der Patient. Ergo geht es hier um Fortschritte, die ihre bzw. seine Behandlung sowohl schneller, erschwinglicher als auch erfolgreicher machen.2

Zwei der größten Einsparpotenziale sieht die McKinsey Studie bei der Umstellung auf die elektronische Patientenakte (ePA) und bei dem elektronischen Rezept (E-Rezept). Bei der ePA wird auf Grund von Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen ein Einsparpotenzial von 6,4 Mrd.€ erwartet. Konkret wird genannt, dass die ePA „schnellere, reibungslosere Abläufe zwischen Leistungserbringern ermöglichen kann, indem sie beispielsweise den Zeitaufwand für die Administration und die Anzahl der Tests reduziert“. Dass die Datenkontrolle in den Händen der Patientinnen und Patienten selbst bleibt, sei ein wesentlicher Faktor. Das E-Rezept könne papierlose Prozesse, Aufwandsreduzierung und Qualitätssteigerung ermöglichen, da „automatische Prüfungen von Wechselwirkungen zwischen verschriebenen Medikamenten möglich sind“ (Einsparpotential 0,9 Mrd. €).2

Die Pharma- und Medizintechnikbranche als Akteure

Von der Digitalisierung betroffen seien jedoch nicht nur einzelne Akteure, die die Bedingungen für den Wandel schaffen sollten, sondern „alle Beteiligten in der Wertschöpfungskette“ – darunter auch Unternehmen der Pharma- und Medizintechnikbranche. Es gehe hier vor allem um neue digitale Versorgungsmodelle, sogenannte „beyond the pill“-Services. Die Studie sieht die Unternehmen als Partner und „Orchestratoren“ innerhalb der sich bildenden digitalen Versorgungsketten. Nichtstun sei keine Option, denn der „zu realisierende Nutzen ist so groß, dass sich auf jeden Fall jemand findet, der ihn erschließen wird.“ Denn auch eigentlich branchenfremde digitale Champions strecken ihre Fühler nach dem Gesundheitsmarkt aus und könnten dominante Marktstellungen anstreben.2

Kehrtwende hin zu einer Digitalisierung des Gesundheitssystems?

Deutschland soll digitaler werden, heißt es immer wieder. Auch 2021, als wir den Blogbeitrag „Vom persönlichen Arztbesuch zur digitalen Sprechstunde?“ erstellten. Nun ist seit dem 01. Juli 2023 das E-Rezept erneut gepusht worden, als einer der Meilensteine aus der „Digitalisierungsstrategie im Gesundheitswesen“ des BMG.2,3 Was tut sich gerade, im Hinblick auf die Digitalisierung des Gesundheitssystems in Deutschland?

„Deutschland ist in der Digitalisierung leider im Gesundheitssystem stark zurückgefallen.“
„Wir sprechen von einem jahrzehntelangen Rückstand.“
„Forschungsdaten können auch nicht generiert werden, so gut wie das sonst möglich wäre.“

Das sind die Worte des Bundesgesundheitsministers Prof. Karl Lauterbach, die er im März 2023 zur Einschätzung der Lage in Deutschland bei der Vorstellung der Digitalisierungsstrategie verlauten lässt.4 Was soll sich also in Deutschland ändern? In dem vom BMG herausgegebenen Paper ist von einem „menschenzentrierten digitalen Gesundheitsökosystem“ die Rede.4,5 Der Bundesgesundheitsminister nennt konkret: Einführung der ePA und des E-Rezept, dazu das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) für eine bessere Datennutzung im Rahmen von Forschung.3

Kürzlich fand mit der „Data for Health Conference 2023“ die erste ihrer Art in Deutschland statt, ausgerichtet vom BMG in Kooperation mit der Havard Medical School (Boston, USA). Fokusthema des Kongresses: Ermöglichen einer Forschung an internationalen Gesundheitsdaten mit ausreichend Datensicherheit und Überwindung der (transatlantischen) Hürden. In der Eröffnungsrede der Pressekonferenz von Prof. Karl Lauterbach und Prof. Jochen Lennerz von der Harvard Medical School betonte der Gesundheitsminister, wie wichtig es sei, im Gesundheitssektor auf Artifical Intelligence (AI; also künstliche Intelligenz oder auch kurz ‚KI‘) zugreifen zu können, um sie für Datenauswertungen und somit für eine „Explosion“ an wissenschaftlichen Erkenntnissen nutzen zu können. Der Kongress sei ein erster Schritt in eine neue Richtung, vorher müsse aber zuerst das Umfeld geschaffen werden für eine Datennutzung die sicher, ethisch und vertrauensvoll sei.6

Dass Deutschland seine Pionierrolle bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens, die es vor zwanzig Jahren noch innehatte, verloren hat, stark zurückgefallen sei und keine große Rolle mehr in diesem Bereich spiele, sei ihm bewusst. Ziel sei es, in Deutschland das modernste Datengesetz Europas mit einer entsprechenden Infrastruktur zu schaffen, um auch die länderübergreifenden, großen Modelle nutzen zu können.7

Was ein Dachboden und das Gesundheitssystem gemeinsam haben

Prof. Lennerz vergleicht die Lage der medizinischen Dateninfrastruktur in Deutschland sehr anschaulich mit einem „unsanierten DDR Dachboden“.5 Er erklärt es wie folgt: Unsaniert, weil es ein riesiges Potential gibt. DDR, weil Idee und Umsetzung nicht so leicht sind. Dachboden, weil dort lagert man die wichtigsten Sachen seines Lebens und es geht ein unendliches Potential von ihnen aus, wir kämen aber momentan nicht ran.7

Apropos ePA – wie ist hier der Stand? Nach dem E-Rezept soll nun auch die bereits 2021 gelaunchte ePA mehr Schwung erhalten und eine verstärkte Nutzung erfahren. Das Ziel des BMG ist es, dass 80 % der gesetzlich Versicherten bis zum Jahr 2025 über eine ePA verfügen sollen.4

Was sprechen die Zahlen?

Wie sehen die tatsächlichen Zahlen zu E-Rezept und ePA zum jetzigen Zeitpunkt aus? Auskunft darüber gibt die gematik (Nationale Agentur für digitale Medizin) in ihrem tagesaktuellen Dashboard zur Telematikinfrastruktur (TI). Laut Dashboard gibt es derzeit 14.647 E-Rezept-fähige Apotheke, von denen bisher 8.050 Apotheken auch E-Rezepte einlösen.8 Als Hintergrundinfo: Die ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V.) zählte in einem Report von 2023 eine Gesamtzahl von 18.068 Apotheken in Deutschland.9 Die E-Rezept App der gematik wurde bislang 509.697 Mal heruntergeladen und insgesamt gab es 2.184.422 eingelöste E-Rezepte.8 Zum heutigen Stand wird die ePA von 704.818 Versicherten genutzt – dem steht eine Gesamtzahl an gesetzlich Versicherten von 73 Millionen gegenüber.8,10 Also machen derzeit rund 1,4 % aller gesetzlich Versicherten Gebrauch von der ePA.

Ergänzende Informationen

Welche Apotheken „E-Rezept-ready“ sind kann man auf der entsprechenden Apotheken Suche der gematik sehen.
Die App zum E-Rezept sowie weiterführende Informationen finden Interessierte auf der E-Rezept Website, ebenfalls herausgegeben von der gematik.

Wenn Sie mehr über m:werk erfahren möchten, sprechen Sie uns gerne jederzeit an.

Unverbindliche Anfrage

1 info institut: Digitalisierung der Wirtschaft; https://www.ifo.de/themen/digitalisierung-der-wirtschaft (zuletzt abgerufen am 06.07.2023)
2 Digital McKinsey / McKinsey & Company: Digitalisierung im Gesundheitswesen: die Chancen für Deutschland 2018; https://www.mckinsey.de/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/deutschland/news/presse/2018/2018-09-25-digitalisierung%20im%20gesundheitswesen/langfassung%20digitalisierung%20im%20gesundheitswesen__neu.ashx (zuletzt abgerufen am 05.07.2023)
3 Bundesministerium für Gesundheit: Elektronisches Rezept (E-Rezept); https://www.bundesgesundheitsministerium.de/e-rezept.html (zuletzt abgerufen am 29.06.2023)
4 Bundesministerium für Gesundheit: Was sind die wichtigsten Inhalte der Digitalisierungsstrategie?; https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/digitalisierung/digitalisierungsstrategie/inhalte-der-digitalisierungsstrategie.html (zuletzt abgerufen am 28.06.2023)
5 Bundesministerium für Gesundheit: Gemeinsam digital; https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/D/Digitalisierungsstrategie/BMG_Broschuere_Digitalisierungsstrategie_bf.pdf (zuletzt abgerufen am 28.06.2023)
6 Bundesministerium für Gesundheit: Data for Health Conference 2023;  https://projekttraeger.dlr.de/media/events/dfh23/index.html (zuletzt abgerufen am 29.06.2023)
7 Bundesministerium für Gesundheit: Pressekonferenz zur Data for Health Conference 2023; https://www.youtube.com/watch?v=AVf-MLSX-KA (zuletzt abgerufen am 28.06.2023)
8 Gematik: Wie ist der aktuelle Stand der Digitalisierung im Gesundheitswesen?; https://www.gematik.de/telematikinfrastruktur/ti-dashboard (zuletzt abgerufen am 29.06.2023)
9 ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e.V.): DIE APOTHEKE – ZAHLEN, DATEN, FAK TEN 2023; https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/ZDF/ZDF-2023/ABDA_ZDF_2023_Broschuere.pdf (zuletzt abgerufen am 29.06.2023)
10 GKV Spitzenverband: Die gesetzlichen Krankenkassen; https://www.gkv-spitzenverband.de/krankenversicherung/kv_grundprinzipien/alle_gesetzlichen_krankenkassen/alle_gesetzlichen_krankenkassen.jsp (zuletzt abgerufen am 29.06.2023)

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Jasmin Eckert