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Krebserkrankungen und die Bedeutung von Mental Health

Von 10. August 2023November 17th, 2023Allgemein, Consulting
Mental Health

Im Fokus: Mental Health bei Krebserkrankungen

Die Diagnose Krebs zieht vielen Betroffenen den Boden unter den Füßen weg. Im weiteren Verlauf stellen sowohl die Erkrankung als auch die Therapien mitunter eine enorme körperliche Belastung dar. Doch nicht nur der Körper ist betroffen: Gedanken um die Zukunft oder die eigene Sterblichkeit, starke Einschränkungen der Lebensqualität und eine veränderte Körperwahrnehmung stellen auch die Psyche vor große Herausforderungen. Welche Bedeutung der psychischen Gesundheit im Umgang mit Krebs mittlerweile beigemessen wird, zeigt auch die Existenz verschiedener Leitlinien wie die der deutschen S3-Leitlinie „Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient:innen“1 oder die der Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für medizinische Onkologie (ESMO) zur Therapie von Angst und Depression bei erwachsenen Krebspatienten und -patientinnen.2 Auch innerhalb der Gesellschaft hat sich während der letzten Jahre das Bewusstsein für und der Umgang mit psychischen Erkrankungen deutlich gewandelt. Erst kürzlich beschloss die Europäische Union (EU) in den nächsten Jahren rund 1,23 Milliarden Euro für 20 verschiedene Programme für psychische Erkrankungen zu investieren.3

Psychoonkologie wird immer wichtiger

So wie sich die Einstellung zur psychischen Gesundheit innerhalb der Gesellschaft verändert hat, so hat sich auch die Fachdisziplin der Psychoonkologie, welche sich mit der Psyche von Krebspatienten und -patientinnen beschäftigt, deutlich gewandelt. Die Psychoonkologie im heutigen Sinne existiert seit Mitte der 1970er Jahre und beschäftigte sich lange mit der Forschung, inwiefern psychische Erkrankungen oder eine „Krebspersönlichkeit“ die Entstehung von Krebs fördert. Wissenschaftlich überzeugende Daten hierzu konnten bisher nicht ermittelt werden.4 Depressionen oder Stress fördern demnach nicht die Krebsentstehung. Richtig ist aber, dass sie dazu führen können, dass Betroffene zu einem eher ungesünderen Lebensstil mit geringerer Selbstfürsorge und Griff zu Substanzen wie Alkohol und Nikotin tendieren können. Diese wiederum sind Risikofaktoren für die Entstehung von Krebs.5 Betroffenen rät Dr. Angela Grigelat, Psychologische Psychotherapeutin und Psychoonkologin, der Seele „genauso viel Beachtung wie dem Körper zu schenken“.6

Die Psychoonkologie heutzutage beschäftigt sich mit den Bedürfnissen und Sorgen / Ängsten von Betroffenen vor, während und nach der Therapie.2,3  Ein Blick in aktuelle Statistiken offenbart die Notwendigkeit dieser eigenen Fachdisziplin. So erkranken pro Jahr rund 500.000 Personen an Krebs.7 Abseits der psychischen Belastungen während der Therapie entwickeln viele Patienten und Patientinnen auch danach mit einer hohen Wahrscheinlichkeit psychische Langzeitfolgen:

  • 3 bis 43 % der Patienten und Patientinnen leiden unter Angst,
  • 5 bis 66 % an einer Depression,
  • 4 bis 12 % an allgemeinen psychischen Belastungen,
  • 15 bis 40 % an neuropsychologischen Defiziten. 8

Nur durch das konsequente Erkennen und Therapieren kann dem entgegengewirkt werden. Denn ein stabiles psychisches Befinden kann zwar alleine den Krebs nicht besiegen, wirkt sich aber sehr positiv auf die Lebensqualität aus.9

Selbstwirksamkeit durch Selbsthilfe

Auch eigenständig kann die Krebstherapie und die psychische Gesundheit sinnvoll unterstützt werden. Vielen Betroffenen kann der Austausch mit anderen Betroffenen wie beispielsweise im Rahmen einer Selbsthilfegruppe helfen. Informationen hierzu bietet unter anderem die Deutsche Krebshilfe (siehe auch ergänzende Informationen am Ende des Beitrags).10 Interessant ist zudem das Konzept der „Peer-to-Peer-Beratung“, denn hier treffen frisch Betroffene auf andere erfahrenere Betroffene um sich auszutauschen – meist im persönlichen Einzelgespräch.11 Eine hohe Resonanz erfuhr z. B. das Pilot-Programm „Peer2Me“ des Uniklinikums Leipzig, bei dem „erstmalig in Deutschland ein Mentorenprogramm erarbeitet wurde, in welchem Krebspatienten und Krebspatientinnen zwischen 18 und 39 Jahre von ‚ehemaligen‘​ Betroffenen in ähnlichem Alter und mit gleicher Diagnose im 1:1-Setting vor allem emotional unterstützt wurden“.12 Manche Patienten und Patientinnen möchten auch neben der Schulmedizin mit Hilfe von Komplementärmedizin aktiv werden.

Hier sollte man sehr vorsichtig sein, welche Maßnahmen tatsächlich unterstützend wirken und welche nicht. Mittlerweile gibt es auch hier eine Leitlinie, welche die verschiedenen Maßnahmen bewertet. Eine klare Empfehlung wird für Sport ausgesprochen, der sich positiv auf Körper und Psyche auswirken kann.13 Professor Dr. Joachim Weis, Inhaber der Stiftungsprofessur Selbsthilfeforschung am Tumorzentrum Freiburg CCCF des Universitätsklinikums Freiburg, betont, dass es entscheidend ist, Selbsthilfestrategien für sich zu finden, die sich stimmig anfühlen und zu einem passen. Dann sei eine „enorme positive Wirkung“ möglich. 6

Me, myself and I? So muss es nicht sein

Eine Krebserkrankung ist ein einschneidendes Erlebnis und auch für die Psyche eine große Herausforderung. Die Achtsamkeit auf eine unter diesen Vorzeichen möglichst gesunde Psyche ist daher neben der körperlichen Genesung ebenso wichtig. Betroffene und Angehörige sollten sich laut Professor Dr. Weis nicht scheuen, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sobald sie spüren, dass die seelische Belastung die eigenen Kräfte übersteigt.6 An vielen Kliniken und onkologischen Spitzenzentren sind in Deutschland bereits sog. Onkolotsen und Onkolotsinnen aktiv: Sie begleiten Krebspatienten und -patientinnen und ihre Angehörigen von Anfang an, mit ihrem Fachwissen aber auch als emotionaler Anker. Sie koordinieren Termine, begleiten während des Arztgesprächs, geben Tipps für weitere Anlaufstellen oder sind einfach nur da für ein Gespräch, mit dem jemand seine Angehörigen vielleicht nicht belasten will.14

Verschiedene Programme, Angebote und insbesondere die Psychoonkologie können Patienten und Patientinnen und deren Angehörige unterstützen und abseits der Erkrankung die Lebensqualität verbessern oder aufrechterhalten. Umso substanzieller ist es, dass dem Thema Mental Health auch weiterhin bei Krebserkrankungen eine zunehmend größere Rolle beigemessen wird.

Ergänzende Informationen

Erste Anlaufstellen für ein Gespräch bzw. eine Beratung können regionale Stellen sein wie ein psychosozialer Dienst / sozialpsychiatrischer Dienst oder ein Krisendienst. Sucht man online nach einer Kombination aus diesen Schlagworten und seiner Region, z. B. „Krisendienst Berlin“ oder „psychosozialer Dienst Hessen“, wird man fündig. Auch das Infonetz Krebs der Deutschen Krebshilfe informiert und berät übergreifend.

Weiterführende Informationen zu Selbsthilfegruppen sind u.a. zu finden bei der Deutschen Krebshilfe oder auch bei regionalen Dachverbänden wie der SEKIS Selbsthilfe Kontakt- und Informationsstelle in Berlin oder dem Selbsthilfe e.V. für die Rhein-Main-Region.

Wenn Sie mehr über m:werk erfahren möchten, sprechen Sie uns gerne jederzeit an.

Unverbindliche Anfrage

1 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Psychoonkologische Diagnostik, Beratung und Behandlung von erwachsenen Krebspatient*innen, Langversion 2.0, 2023, AWMF-Registernummer: 032-051OL; https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/psychoonkologie/ (zuletzt abgerufen am 23.06.2023)
2 Grassi, L. et al., Anxiety and depression in adult cancer patients: ESMO Clinical Practice Guideline. ESMO Open. 2023 Apr;8(2):101155.
3 Redaktion Zeit online: Psychische Gesundheit – EU investiert 1,23 Milliarden in Programme für psychische Erkrankungen; https://www.zeit.de/gesundheit/2023-06/psychische-gesundheit-depression-selbstmord-eu-kommission-strategie (zuletzt abgerufen am 23.06.2023)
4 Internetredaktion des Krebsinformationsdienstes: Psychoonkologie als Fachgebiet. DKFZ; https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/krebs-psyche/psychoonkologie.php (zuletzt abgerufen am 23.06.2023)
5 Matthias, K.: Krebs und Psyche: Vor, während und nach der Erkrankung. Barmer; https://www.barmer.de/gesundheit-verstehen/koerper/krebs/krebs-und-psyche-1071490 (zuletzt abgerufen am 23.06.2023)
6 Apotheken Umschau: Der Seele Kraft schenken – Diagnose Krebs; https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/krebs/der-seele-kraft-schenken-976633.html?utm_source=print&utm_medium=schlusspunkt&utm_campaign=aa23-07_022-026_976633# (zuletzt abgerufen am 10.07.2023)
7 Robert Koch Institut, Zentrum für Krebsregisterdaten, Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V.: Krebs in Deutschland für 2017/2018, 2021; https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/kid_2021/krebs_in_deutschland_2021.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 27.07.2023)
8 Weis, J.: Psychische Langzeitfolgen von Krebserkrankungen. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 65, 431–438 (2022)
9 Söllner, W., Keller, M.: Wirksamkeit psychoonkologischer Interventionen auf die Lebensqualität der Patienten. Psychosom Konsiliarpsychiatr 1, 249–257 (2007)
10 Deutsche Krebshilfe: Selbsthilfe unterstützt Betroffene; https://www.krebshilfe.de/helfen/rat-hilfe/selbsthilfe/ (zuletzt abgerufen am 23.06.2023)
11 Apotheken Umschau: Patienten als Experten; https://www.apotheken-umschau.de/print/peer-beratung-976741.html (zuletzt aufgerufen am 10.07.2023)
12 Uniklinikum Leipzig: Peer2Me – Peer Mentoring für junge Erwachsene mit Krebs; https://www.uniklinikum-leipzig.de/einrichtungen/medizinische-psychologie/Seiten/junge-erwachsene-peer-2-me.aspx (zuletzt abgerufen am 10.07.2023)
13 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer PatientInnen, Langversion 1.1, 2021 AWMF-Registernummer: 032/055OL; https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/komplementaermedizin/ (zuletzt abgerufen am 23.06.2023)
14 Deutsche Krebshilfe: Krebs: Begleitung durch Onkolotsen; https://www.krebshilfe.de/blog/krebs-begleitung-durch-onkolotsen/ (zuletzt abgerufen am 10.07.2023)

Von den Standorten Wiesbaden und Berlin aus unterstützen das m:werk Team nationale und internationale Healthcare Unternehmen in der Entwicklung von medizinischem Content für Fach- und Patientenkreise. Das Portfolio reicht von strategischer Beratung und Planung bis hin zur Umsetzung aufmerksamkeitsstarker Kampagnen – unabhängig davon, ob z. B. digitale Lösungen, Medienentwicklung, Social Media Management oder Media Relations benötigt werden. Grundlage dabei bildet stets der eigens entwickelte datenbasierte Ansatz, um sicherzustellen, dass alle Inhalte zielgruppenspezifisch aufbereitet und platziert werden.

Dr. Jan-Niklas Salewski