
Gerade saß man noch mit einem Glas Aperol in der Hand um 21 Uhr auf dem Balkon und hat das Licht der untergehenden Sonne genossen – und plötzlich ist es kurz nach Feierabend schon stockdunkel. Die Tage werden kürzer, der Herbst ist da – und mit ihm auch die Zeitumstellung. Für viele bedeutet das eine kleine Herausforderung für den eigenen Biorhythmus: Eine Stunde mehr oder weniger Schlaf klingt banal, kann den Körper aber ganz schön aus dem Takt bringen.
Sommerzeit – Migränezeit?
Spannend wird’s, wenn man den Blick auf Menschen mit Migräne richtet: Hier zeigt sich, wie stark Licht, Tagesrhythmus und kleine Verschiebungen im Tagesablauf wirken können. Eine Studie der Schmerzklinik Kiel hat herausgefunden, dass die Zeitumstellung im Frühjahr die Zahl der Migräneattacken um rund 6 % ansteigen lässt – besonders zu Beginn der Woche. Im Herbst, wenn die Uhr zurückgestellt wird, entspannt sich die Lage wieder ein wenig – mit einer stärkeren Tendenz an Sonntagen.1
Eine weitere US-Studie zum Zusammenspiel von Wetter, Luftverschmutzung und Migräne zeigt interessante saisonale Muster: Menschen mit episodischer Migräne litten in den wärmeren Monaten von April bis September häufiger unter Attacken, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch war. In den kühleren Monaten von Oktober bis März traten Migräneanfälle hingegen eher in Verbindung mit höheren Ozonwerten und stärkeren Kohlenmonoxidbelastungen auf.²
Teil des Wetters ist natürlich auch die Sonne – auch sie beziehungsweise das Licht kann Einfluss auf eine Migräne haben: ein Phänomen, das als Photosensitivität bezeichnet wird. Vermutet wird, dass dies mit einer Funktionsstörung in dem Gehirnbereich zusammenhängt, der für die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin zuständig ist. Studien zeigen, dass Lichteinwirkung bei Migränepatientinnen und -patienten den Melatoninspiegel stärker senkt als bei gesunden Menschen. Dies könnte erklären, warum Betroffene Licht oft intensiver wahrnehmen und schneller unter Kopfschmerzen leiden.³
Steckbrief Migräne
Migräne ist komplex und viel mehr als „Kopfschmerzen“ oder „Wetterfühligkeit“. Migräne ist weltweit die zweithäufigste Ursache für Beeinträchtigung, noch vor den depressiven Störungen und Angststörungen.4 Es handelt sich um eine neurologische Erkrankung, bei der sowohl genetische Faktoren als auch neurobiologische Prozesse eine Rolle spielen.5 Neue Forschungen zeigen, dass das sogenannte glymphatische System – ein Flüssigkeitstransportsystem im Gehirn – direkt mit einem bestimmten Hirnnerven verknüpft ist und dadurch Schmerzsignale auslösen kann.4 Diese Erkenntnis liefert erstmals einen mechanistischen Ansatz, um sowohl die Migräne-Aura als auch die Kopfschmerzphase zu verstehen.6 Auf dieser Grundlage setzen moderne Forschungsansätze an, die individuelle Unterschiede noch gezielter beleuchten.
Personalisierte Medizin und Hightech-Diagnostik
Indem genetische Analysen und Hightech-Diagnostik die individuellen Unterschiede in Krankheitsmechanismen sichtbar machen, eröffnen sie neue Perspektiven, um die komplexen Zusammenhänge von Migräne besser zu verstehen und künftig gezielter vorherzusagen. So kann künstliche Intelligenz in Verbindung mit Neuroimaging-Techniken eingesetzt werden, um Biomarker für Migräne zu identifizieren und individuelle Krankheitsmechanismen besser zu verstehen.7 Genetische Analysen seltener Migräneformen machen individuelle Krankheitsmechanismen sichtbar und liefern neue Einblicke in die genetische Basis der Erkrankung. So zeigte eine groß angelegte genomweite Assoziationsstudie (GWAS) mit 102.084 Migränefällen, dass 123 genetische Loci mit Migräne assoziiert sind, von denen 86 zuvor unbekannt waren. Einige dieser Loci stehen in Zusammenhang mit spezifischen Migränetypen wie Migräne mit oder ohne Aura, was unterschiedliche genetische Mechanismen für verschiedene Krankheitsformen nahelegt.8
Migräne im Wandel
Migräne ist längst nicht mehr nur ein „Kopfschmerzproblem“, sondern eine komplexe neurologische Erkrankung, die den gesamten Organismus betrifft. Neue Erkenntnisse über Neuroinflammation, genetische Faktoren und die Wirkung neuer Medikamente eröffnen Wege zu individuell zugeschnittenen Therapien – ein Fortschritt, der vielen Patientinnen und Patienten Hoffnung gibt.
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Unverbindliche AnfrageQuellen
- Göbel CH et al. The Impact of Biseasonal Time Changes on Migraine. Neurology International. 2025;17(3):40.
- Li W et al. Weather, ambient air pollution, and risk of migraine headache onset among patients with migraine. Environ Int. 2019;132:105100.
- Hallvard Lilleng, Svein Ivar Bekkelund. Arctic environment triggers migraine attacks. Canadian Family Physician Jun 2010;56(6):549–551.
- Klan T et al., Verhaltenstherapeutische Diagnostik und Therapie bei Kopfschmerz. 2024. Verfügbar unter: https://www.springermedizin.de/kopfschmerzen/verhaltenstherapie/verhaltenstherapeutische-diagnostik-und-therapie-bei-kopfschmerz/27209020 (letzter Aufruf: Oktober 2025).
- 5 Fakten über Kopfschmerzen und Migräne. Veröffentlicht: 21.04.2017 https://www.spektrum.de/wissen/migraene-und-kopfschmerzen-ursachen-und-hilfen/1451715 (letzter Aufruf: Oktober 2025).
- University of Rochester. Glymphatic system and migraine. 2025. https://www.urmc.rochester.edu/news/story/study-reveals-brain-fluid-dynamics-as-key-to-migraine-mysteries-new-therapies (letzter Aufruf: Oktober 2025).
- Petrušić I et al. Influence of next-generation artificial intelligence on neuroimaging biomarkers in migraine. Front Neurol. 2024;15:11401391.
- Hautakangas H et al. Genome-wide analysis of 102,084 migraine cases identifies 123 loci. Nature Genetics. 2022;54(11):1651–1660.
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